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Samstag, 14. April 2018

Fly high together!

Das wäre ein Ski- und Boarderurlaub nach deinem Geschmack gewesen, mein Großer! Tiefschnee im April, genug Schneehügel am Pistenrand für waghalsige Sprünge, hin und wieder pulvriger Neuschnee, manchmal leere Pisten (Nebel hat auch so seine Vorteile) und wirklich gut angelegte Boarderparcs.

 


Ausgiebige Sonnenbäder im Liegestuhl mit einem leckeren Heiß- oder Kaltgetränk in der Hand, 
 
am liebsten auf unserer "Homebase" (unsere Lieblingshütte und Haupttreffpunkt), 
 



wilde Massen-Schneeballschlachten auf 2000 Meter Höhe (wobei es ein paar Kollateralschäden gab), weiße Puderzuckerberge unter tiefblauem Himmel - so weit das Auge reicht.


 
Die niveaulos-lustige Après-Schirmbar, unser Wohlfühlhotel direkt an der Talstation (einfach halbschlafend aus dem Skikeller rausfallen und ab in die erste Gondel). Und dann erst das ganze leckere Essen: morgens ein reichhaltiges Frühstücksbuffett, mittags hin und wieder kleine Leckereien auf den Hütten (Ada hat `mal wieder in Rekordschnelle den ganzen! Germknödel, ertränkt in gefühlten 2 Liter Vanillesauce, verputzt und Luke hat lediglich einen einzigen Happen von seinem saftig-triefenden Hütten-Burger abgegeben ... Hm, du hättest wahrscheinlich das wirklich gute Wiener Schnitzel, ausreichend für vier, gewählt). Ganz zu Schweigen von dem abendlichen 5-Gänge-Buffet.
Aber das Wichtigste: Einige deiner und unserer engsten Freunde waren mit dabei und ganz viele uns nahestehende, liebenswert-lustige Menschen. Was für eine großartige Gruppe - ohne Ausnahme! Einige davon konntest du gar nicht mehr kennenlernen und sie dich nicht, aber mein Gefühl sagt mir, dass du dich großartig mit ihnen verstanden hättest. Wie gut du in die Boardertruppe gepasst hättest. 
 
Nein! Neeeeiiin! Nicht weiter darüber nachdenken, sonst tut es gleich wieder verdammt weh. Schnell noch ein paar witzige Infos für dich eingestreut: Wir haben eine "Gegenparty" auf Tim und Irenes Dachterrasse gefeiert und der gegenüberliegenden Schirmbar vom Stimmungsfaktor her massig Konkurrenz gemacht.
Wir durften auch neue, interessante Menschen kennenlernen: Stefan, einen Boarder aus Salzburg, Hüttenwirt "Hansi", 
ein Ehepaar aus Wien, dass sich mit Ende 70 noch die Bretterl untergeschnallt hat, Melanie und Markus, die beiden Kellner auf unserer Homebase, die sich an unserem letzten Skitag noch ein edles Schlückchen mit uns genehmigt haben (ich glaube, das war aus dem Geheimvorrat für besondere Gäste).
Jesse! Hast du Luke boarden gesehen?? Der Hammer!




Und Ada: sie stand zum ersten Mal auf ihrem kleinen Snowboard und hat schon am 2. Tag die Kurve gekriegt (im wahrsten Sinne des Wortes). Du hättest sie grinsend in den Arm genommen und sie voller Stolz fröhlich durch die Luft gewirbelt. 
 
Luke übernimmt nun deinen Part: einen Nachmittag, als wir mit Ada geübt hatten, kam er zu uns hinüber gefahren und hat seiner kleinen Schwester wertvolle und hilfreiche Technik-Tipps gegeben. Er war so liebevoll und fürsorglich ihr gegenüber, hat sie gelobt und motiviert. Wie sehr hat er mich in diesem Moment an dich erinnert - ganz der große Bruder. Er akzeptiert diese Rolle als "Großer" zunehmend leichter und ich ertappe mich dabei, wie ich manchmal "Hey Großer" zu ihm sage, obwohl doch du immer "der Große" (sprich: Älteste) warst.
 
Auch wenn du nicht körperlich anwesend sein kannst, bist du immer dabei ... in jedem von uns. In mir, in Luke, Ada und Micha... in Noah, Luca und Astrid, in Tim und Irene, in Kai, Tim und Johanna und vielen, vielen anderen warmherzigen Menschen, die diesen Skiurlaub mit uns verbracht haben. 
 
Als erstes haben wir die beiden Schlösser von dir und Vianne, die Astrid und Tim in rund 2000 Meter Höhe für dich und Vianne vor zwei Jahren angebracht haben, besucht. Danach sind wir zu euch geflogen...
Ich bin so dankbar, so ergriffen darüber, wie ungezwungen, feinfühlig und natürlich unsere Freunde mit uns und unserer schwierigen Situation umgehen. Eben diese Menschen stärken und stabilisieren uns, die, die wir hin und wieder immer noch wanken. 
Weißt du, was sie für Luke und somit auch für unsere Familie getan haben - in ganz starker Anlehnung an dich, weil sie so sehr in deinem Sinne gehandelt haben: auf Noah und Janis Idee hin haben sie ihr Geld zusammengeworfen und Luke mit einem eigenen, super-coolem Snowboard im Skiurlaub überrascht. Sein Altes war ihm zu klein geworden - das hatten sie, aufmerksam wie sie sind, mitgekriegt. Wir hatten im Vorfeld des Skiurlaubs aus Zeitmangel kein adäquates Brett für ihn finden können, deshalb wollten wir für diesen Urlaub ein Board aus dem Verleih holen und zum Saisonende abkaufen, falls es sich anbietet. Dazu kam es nicht mehr: Am Ankuftstag - wir hatten den ersten Tag bereits auf der Piste verbracht, der Rest der Gruppe trudelte nach und nach in Zauchensee ein - lockten sie uns in die Schirmbar und überreichten Luke mit einer kleinen persönlichen Ansprache sein neues Board. Er wusste gar nicht, wie ihm geschah. Ungläubig starrte er erst uns und dann den Rest der Gruppe an. Du hättest seine strahlenden Augen sehen müssen. Immer wieder fragte er uns: "Warum??" Ich glaube, ich habe genauso ungläubig dreingeschaut - bis mir vor lauter überbordender, freudig blubbernder Ergriffenheit und einem wohlig-warmen Herzschmerz dicke Tränen aus den Augen tropften.




Er musste es sofort testen. Das Board passt perfekt zu Luke. Er ist damit nicht aufzuhalten. Fly high together. 
Du bist so präsent, Jesse, - bei uns allen - obwohl mich manchmal die Angst überfällt, dass du in Vergessenheit geraten könntest. Und plötzlich kehrt sich diese Gedankenschwere in Hoffnung um:  Kurz vor unserem Skiurlaub erreichte mich eine WhatsApp von Noah. Er fragte an, ob es für mich ok sei, eine Abfahrt in Gedanken an dich mit deinem Board zu machen, denn du wolltest ihm nie glauben, dass er snowboarden kann (und wie er es kann, mein Großer). Noah! Ich muss das hier erwähnen, weil ich einfach unglaublich ergriffen von deiner Anfrage war. Du bist für Jesse, du bist mit Jesse gefahren. Danke dafür! Ebenso Kai. Ihr habt euch beide mit seinem Board abgewechselt. Kai! Was für coole Sprünge du hinbekommst. Von Herzen "Danke" an euch zwei. Was für treue, tiefgründige Freunde ihr doch seid. Ihr werdet immer einen Platz in unserem Herzen haben. Danke!
 

 

Kurz vor unserer Reise hatte ich solch eine Angst, dass du, Jesse,  ganz verschwindest. Teilweise fingest du an, im Alltag blasser zu werden .Du verblasstest in diesem Alltagsgewusel und es tat mir so weh. Ich weiß, dass ich dich ein Stück weit loslassen muss, um dieses Leben mit Ada, Luke und Micha wirklich weiterleben zu können. Es ist richtig und wichtig, sich an diese neue Realität anzupassen und zeitgleich tut es so weh. Aber es sichert unser Überleben, denn nach wie vor würden wir durchdrehen, würde das Vermissen nach dir Tag für Tag im Vordergrund stehen. Wir müssen irgendwie weitermachen. Diese Verantwortung haben wir nicht nur uns selbst gegenüber, sondern auch Luke und Ada gegenüber. Und sie leiden so sehr unter deinem Verlust, glaube mir. Ich vermisse dich so sehr, dass es mich noch immer zerreißt, wenn ich mich darauf einlasse. Und doch vertraue ich darauf, dass diese unsagbare Liebe zu dir nichts und niemand kappen kann. 
 Du bist überall und überall sendest du uns Zeichen. Das hier war ein ganz inniger Gruß an deinen Bruder - ich konnte meinen Augen kaum trauen, als ich das hier auf der Piste sah:
"Jess, the Baroness and Luke, the Duke"
Aber nein, du verblasst nicht wirklich, und ich bin so dankbar um jede Information, die mir zugetragen wird, dass du in den Herzen so vieler Menschen weiterlebst. Eine Zufallsbegegnung mit der Mutter einer deiner Freunde hat mir viel Energie gegeben. Sie hat mir berichtet, dass ihr Sohn noch immer dein Grab aufsucht. Damit hätte ich gar nicht gerechnet. Du bist da. In mir und in so vielen Menschen, die du berührt hast.  
Liebe Zauchensee-Gruppe: von Herzen ein dickes Dankeschön für diese wunderbaren Tage inmitten der Berge. "Wir sind so schön kaputt, aber wir sind nicht allein.. Wir sind vom Leben gezeichnet in den buntesten Farben und wir tragen sie mit Stolz, unsere Wunden und Narben...."