Es ist bereits der zweite Geburtstag, den wir - ohne dich, aber in Gedanken ganz nah bei dir - "gefeiert" haben. Im letzten Jahr war dein Tod gerade einmal vier Wochen her. Vier Wochen trennten dich nur noch von deinem 16. Geburtstag. Dein 16. war dir so wichtig - endlich hättest du "offiziell" länger mit deinen Freunden, die alle mindestens ein halbes, wenn nicht sogar ein Jahr älter waren, da du schon mit fünf Jahren eingeschult worden bist, unterwegs sein können. Du hättest endlich neue Rechte (und Pflichten, hähä) gehabt. Tao und Marvin hatten sich schon eine entsprechende Überraschung ausgedacht...sie hätte dir gefallen und ich sehe in Gedanken dein verschmitztes Lächeln vor mir. Wir hatten damals erst überhaupt keinen Plan, wie wir deinen Geburtstag ohne dich angehen sollten. Allein die Vorstellung, zuhause bei Kaffee und Kuchen zusammenzusitzen, löste bei mir einen Brechreiz aus. Beim Laufen kam mir schließlich die zündende Idee. Ausgestattet mit Kerzen, deinem Lieblings-Schokokuchen (mit flüssigem Schokokern) und Fotoausdrucken (auf denen du jeweils mit einem von uns abgebildet bist) haben sich Micha, Ada, Luke und ich auf's Rad geschwungen und sind zu den Orten gefahren, an denen du häufig und gerne warst. Und wir hatten deinen Rucksack mit den Spraydosen dabei... Ich musste raus, dir Nahe sein, Dinge tun, die du gerne gemocht hast. Unsere erste Tour ging nach Iserlohn zur Skateanlage unter der Seilerseebrücke. Dort haben wir uns mit deinen Freunden getroffen, die uns eingeladen hatten, dazu zu kommen. Wir fühlten uns so sehr willkommen. Du hast tolle Freunde!! Sie haben Teelichter für dich aufgestellt, haben später am Abend Schwimmlichter über den See treiben lassen... und andere Dinge getan, die dir gefallen hätten - ganz sicher. Wir haben Kuchen und Getränke geliefert. Es war so leicht in ihrer Gegenwart. Wir alle, auch Ada und Luke, fühlten uns dir so nah inmitten deiner engsten Freunde. Deine Freunde haben eine Atmosphäre geschaffen, die man - glaube ich - nur hinbekommt, wenn man jünger ist. Natürlich waren Traurigkeit und eine enge Verbundenheit, Ernsthaftigkeit und Wertschätzung, auch Vermissen zu spüren, aber auch noch so viel mehr: etwas Leichtes, Lebendiges, Energiegeladenes, etwas Renitentes, Sprühendes, etwas was Zukunft zuließ. Wir haben dir einen Schokomuffin, eine Kerze und Fotos dagelassen - und sind weitergezogen... Nächster Halt: Hauptschule Hennen. Du bist dort mal auf dem Dach gescatet (hätte ich das vorher gewusst hätte ich dir eine gehörige Standpauke gehalten, mein Lieber), ihr habt euch dort getroffen, mal Basketball gespielt, sicherlich noch etlichen weiteren Blödsinn veranstaltet... Auch wir haben Blödsinn veranstaltet, gemeinsam mit Ada und Luke - und es fühlte sich gut und reinigend und revolutionär an, frei nach dem Motto: F... dich, Schicksal. Wir haben albern gekichert, innig an dich gedacht und du hättest dich sicherlich über uns schlapp gelacht und ungläubig dreingeschaut, hättest du uns sehen können. Auch hier haben wir Kerzen, Kuchen und Fotos zurückgelassen... und einen Teil von dir.
Anschließend sind wir zum Friedhof geradelt: Kerze, Kuchen, Foto. Dann hatten Luke und Ada keine Lust mehr, aber eine Station lag noch vor uns: die Ruhr. Deine Geschwister sind zuhause geblieben, das war für uns völlig in Ordnung. Micha und ich haben uns dann ohne die zwei auf den Weg zu Schoofs Brücke gemacht und sind in das kleine Wäldchen gegangen. Der ganze Waldboden war von Kastanien übersät, die Äste der Bäume haben im Wind geknarzt. Kerze, Kuchen, Fotos. Du warst da! Die Mauer im Bahnwald habe ich später besucht...
Vor wenigen Tagen wärst du 17 Jahre alt geworden. Wir waren über deinem Geburtstag auf Mallorca - wie damals vor zwei Jahren, im Oktober 2014. Da haben wir alle zusammen abends bei "Joan Marc" - einem erstklassigen und experimentell angehauchten Restaurant in Inca - gefeiert. Alle: Vianne, Ada, Luke, Micha, Andi, Ralf, ich und natürlich du! Du hast in Ibérico Schweinefleisch von Pata negra Schweinen geschwelgt, du alter Gourmet. Auch dieses Jahr waren wir wieder gut und gehoben essen - aber nicht bei Joan Marc, das hätten wir emotional nicht geschafft. Zuvor haben wir gemeinsam mit Andi und Ralf, Luke und Ada sechseinhalb Stunden lang den Torrent de Pareis bezwungen, die monumentale Sa Calobra Schlucht - mit Vianne und dir im Gepäck. Wir sind geklettert, geschlittert, ausgerutscht, haben uns durch schmale Spalten unter riesigen Felsbrocken hindurchgequetscht, uns an Seilen entlanggehangelt und gegenseitig gesichert. Es war anstrengend, aber ebendiese körperlich und mentale Anstrengung tat unglaublich gut. Vor beeindruckender Felskulisse habe wir ein Teelicht für dich aufgestellt (der Ort hätte dir gefallen) und dir ein leises Geburtstagslied gesungen.
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